Krank feiern? Konkreter Tatverdacht auf Lohnfortzahlungsbetrug

Krank oder Krankfeiern? Vertrauen ist gut – Kontrolle manchmal besser

Wenn ein Mitarbeiter blaumacht und zu allem Überfluss an diesen „Krankentagen“ auch noch für andere arbeitet, ist das für Chefs nicht nur ärgerlich, sondern kann sie sogar ziemlich in die Bredouille bringen.

So geschehen bei einem meiner Klienten, der von einem Geschäftsfreund den Tipp bekommen hatte, dass ein Angestellter an regelmäßig wiederkehrenden Krankheitstagen nicht wie vermutet seine angeblich lädierte Bandscheibe kurierte, sondern sehr agil bei der Konkurrenz als Springer arbeitete.

Arbeitsunfähigkeit de luxe ist ein Leiden, das sich einige Arbeitnehmer leider nicht entgehen lassen.

Keine Nachforschungen ins Blaue hinein

Bei unserem ersten Gespräch war mein Klient nicht nur stinksauer, sondern auch in höchstem Maß verunsichert, ob man überhaupt etwas gegen krankfeiernde Mitarbeiter tun könne.

Man kann, aber man sollte einige Regelungen kennen und unbedingt beachten. Der Knackpunkt ist wie fast immer bei Überwachungsmaßnahme der Datenschutz, denn der gilt nicht nur für Kunden und Klienten, sondern auch für Beschäftigte, und setzt Nachforschungen enge Grenzen.

„Einfach so“ oder präventiv sollte sich kein Arbeitgeber auf die Lauer legen, denn Observationen durch einen Detektiv sind massive Eingriffe in das Persönlichkeitsrecht von Arbeitnehmern. Chefs, die das ignorieren, erleben häufig eine böse Überraschung.

Selbst wenn bei den Ermittlungen ein deutliches Fehlverhalten festgestellt wird, ist das Risiko groß, dass sie einen Kündigungsschutzprozess verlieren. Außerdem hat ein observierter Arbeitnehmer unter Umständen Anspruch auf Schadenersatz wegen unzulässiger Observation und es drohen empfindliche Sanktionen wegen Verstoßes gegen Datenschutzregeln nach BDSG und DSGVO – die Bußgelder können bis zu vier Prozent des weltweiten Jahresumsatzes betragen.

Auf gerichtsverwertbare Beweise kommt es an

Einem Arbeitgeber sind die Hände ziemlich gebunden, auch wenn er zu Recht vermutet, dass ein Beschäftigter sich nicht so verhält, wie er es laut Arbeitsvertrag tun sollte. Das Problem der blaumachenden und „fremdarbeitenden“ Arbeitnehmer ist allerdings viel weiter verbreitet, als viele vermuten. In einem Fall, der dem meines Klienten sehr ähnlich war, hat es deshalb nach jahrelangem Gezerre ein bahnbrechendes höchstrichterliches Urteil gegeben – das tatsächlich die Arbeitgeberseite stärkt.

In diesem Fall ging es um die Kündigung eines Mitarbeiters, der fast 40 Jahre lang im Stanzformenbau beschäftigt war. Nachdem seine Söhne im Jahr 2013 einen eigenen Stanzformenbetrieb eröffnet hatten, war der Arbeitnehmer mehrfach krankgeschrieben und konnte ab 2015 überhaupt nicht mehr arbeiten. Verdächtig wurde dieses Verhalten, als dem Arbeitgeber des Mannes durch Zufall eine E-Mail in die Hände kam, in der die Söhne mit der langjährigen Erfahrung ihres Vaters im Montieren von Stanzformen warben, nicht ohne anzumerken, dass ihr Angebot deutlich kostengünstiger als das der Konkurrenz sei. Ein vom Arbeitgeber eingeschalteter Detektiv fand dann auch ziemlich schnell die handfesten Beweise für das, was eigentlich schon offensichtlich war: Der Vater arbeitete während seiner Krankschreibungen im Betrieb seiner Söhne. Dem Stanzformenbauer wurde fristlos gekündigt. Der akzeptierte seine Kündigung nicht und behauptete, er sei tatsächlich krank gewesen und habe nicht wettbewerbswidrig für die Firma seiner Söhne gearbeitet. Streitthema war nun, inwieweit die Ermittlungsergebnisse des Detektivs vor Gericht verwertbar sein sollten.

Eine Instanz nach der anderen lehnte die Beweise, die mein Kollege gefunden hatte, als nicht gerichtsverwertbar ab. Zwei Jahre, drei Instanzen und unzählige Schriftsätze später dann die Überraschung: Das BAG (Bundesarbeitsgericht) ließ 2017 die Beweise des Detektivs mit der Begründung zu, dass Datenschutz in schweren Fällen von Treuepflichtverletzungen nicht automatisch zu Kündigungsschutz führen kann.

Fazit: Ab wann ist die Beobachtung eines Mitarbeiters zulässig?

Der Eingriff in die Persönlichkeitsrechte von Mitarbeitern durch Überwachungsmaßnahmen ist heikel und muss nach wie vor dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und der beiderseitigen Interessenabwägung folgen. Bei Straftaten und gravierenden Pflichtverletzungen überwiegt das Interesse des Arbeitgebers an Aufklärung das Interesse des Arbeitnehmers auf Schutz seiner Persönlichkeit und ist daher prinzipiell möglich.

Wichtig ist, dass

  • es einen Anfangsverdacht gibt, der auf konkreten Anhaltspunkten vor Beginn der Überwachung beruht. Beweise, die erst durch die Observation ermittelt werden, sind keine Begründung für den Anfangsverdacht!
  • alle anderen Maßnahmen wie beispielsweise ein Mitarbeitergespräch ausgeschöpft sind.
  • der Einsatz eines Detektivs zur Aufklärung von Straftaten im Beschäftigungsverhältnis oder von schwerwiegenden Verstößen gegen arbeitsvertragliche Pflichten des Arbeitnehmers erfolgt.
  • der Grundsatz der Datensparsamkeit gemäß DSGVO eingehalten wird.

Informationen, die nicht zur Aufklärung des Falls dienen, sollen am besten überhaupt nicht gesammelt werden.

Sie haben Fragen zum Thema Mitarbeiterüberwachung oder haben einen konkreten Verdachtsfall, den Sie besprechen möchten? Für weitere Informationen und eine individuelle Beratung stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung.

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