Was können Vermieter tun, wenn sie den Verdacht haben, dass ein Mieter unerlaubt untervermietet, aber stichhaltige Beweise fehlen?
Eine vermeintlich einfache Lösung könnte der Einsatz von verdeckten Videokameras sein. Aber: Ist eine heimliche Videoüberwachung datenschutzrechtlich überhaupt zulässig? Darf man als Vermieter versteckte Videokameras installieren, um Beweise gegen seinen Mieter zu sammeln? Oder verletzt dieses Vorgehen das Recht auf Privatsphäre und auf informationelle Selbstbestimmung?
Der Bundesgerichtshof hat sich am 12. März 2024 genau mit dieser Frage beschäftigt. Hier ist das Ergebnis:
Beweissicherung durch verdeckte Videoüberwachung
Der Fall, über den der BGH zu urteilen hatte, war folgender: Ein landeseigenes Berliner Wohnungsunternehmen hegte den Verdacht, dass zwei Mietwohnungen unerlaubt an Dritte untervermietet wurden. Um dafür Beweise zu sammeln, engagierte man eine Detektei, die jeweils eine versteckte Kamera im Treppenhaus mit direktem Blick auf die Wohnungstüren der verdächtigen Mieter anbrachte.
Auf diese Weise wurden in einem Zeitraum von etwas mehr als vier Wochen lückenlos Videoaufnahmen gesammelt. Jeder, der die Wohnung betrat und wieder verließ, wurde gefilmt; ein besonderes Augenmerk lag natürlich auf denen, die einen eigenen Schlüssel zu den Wohnungen hatten.
Tatsächlich erhärteten die Videoaufnahmen mit versteckter Kamera den Verdacht, dass die Wohnungen unerlaubt untervermietet worden waren. Die Vermieterin nutzte diese Videobeweise, um die Kündigung der Mietverhältnisse zu begründen und die Räumung der Wohnungen zu fordern. Eine betroffene Mieterin legte gegen die Kündigung Einspruch ein. Sie argumentierte, dass die heimliche Überwachung nicht nur gegen geltende Datenschutzbestimmungen verstoße, sondern auch ihre Privatsphäre massiv verletze. Deshalb forderte sie außer der Rücknahme der Kündigung auch eine finanzielle Entschädigung (Schmerzensgeld) wegen der Verletzung ihres Persönlichkeitsrechts.
Der Fall landete schließlich vor dem Bundesgerichtshof (BGH), der entscheiden sollte, ob Erkenntnisse, die durch eine unzulässige Videoüberwachung gewonnen worden sind, bei einer gerichtlichen Entscheidungsfindung verwertet werden dürfen.
Die Entscheidung des BGH: Ist heimliche Videoüberwachung als Beweismittel zulässig?
Der BGH gab der Mieterin recht. Er stellte in seinem Urteil klar, dass eine Videoüberwachung im Treppenhaus ohne Wissen der Betroffenen ein besonders schwerer Eingriff in deren Privatsphäre ist.
Das gilt im Besonderen dann, wenn bei geöffneter Wohnungstür auch Bereiche innerhalb der Wohnung von der Kamera erfasst werden. Zudem zeichneten die versteckten Kameras minutiös auf, wann und wie oft Personen die Wohnung betreten oder verlassen haben, ob sie alleine oder in Begleitung kamen, welche Kleidung, Taschen und Tüten sie trugen, welche Mimik sie hatten und vieles mehr.
Niemand, so das Gericht, muss damit rechnen müssen, in einem Wohnhaus, zu dem prinzipiell nur Bewohner und deren Besucher Zutritt haben, heimlich aufgezeichnet zu werden.
Auch wenn ein Treppenhaus auf den ersten Blick als „öffentlicher Bereich“ innerhalb eines Wohnhauses erscheint, ist es für die Bewohnerinnen und Bewohner ein privater Raum, den sie regelmäßig nutzen. Problematisch ist außerdem, dass die Mieter keine Möglichkeit haben, sich gegen die heimlichen Aufzeichnungen zu wehren und auch keine Entscheidung darüber treffen können, ob sie die aufgezeichneten Informationen in diesem Umfang von sich preisgeben wollen.
Die heimliche Überwachung ist umso schwerwiegender, da ja nicht nur die verdächtigten Mieter, sondern auch andere Bewohnerinnen und Bewohner des Hauses, Untermieter und Besucher von den Videokameras erfasst wurden. Es hätte andere, grundrechtsschonendere Maßnahmen als die heimliche Videoüberwachung gegeben, um dem Verdacht einer unerlaubten Untervermietung nachzugehen, urteilte der BGH:
- Statt heimlich Videokameras zu installieren, hätte die Vermieterin im Verdachtsfall zum Beispiel gezielte Scheinanmietungen durch eine Detektei durchführen lassen können.
- Nachbarn, der Hausmeister, der Postbote und Hausbewohner hätten befragt werden können, ob Mieter xy einen Untermieter hat, bzw. ob eine Person in letzter Zeit vermehrt ein und aus geht.
Zudem bemängelte der Bundesgerichtshof, dass die wochenlange heimliche Videoüberwachung überhaupt kein verlässlicher Beweis für eine unerlaubte Untervermietung ist. Schließlich gibt auch ein „Videobeweis“ weder Aufschluss über die Identität eines vermeintlichen Untermieters noch über den Grund für seinen Aufenthalt.
Was ist, wenn es sich bei diesem „Untermieter“, der die Tür mit einem eigenen Schlüssel öffnet, um einen neuen Lebenspartner oder eine neue Lebenspartnerin handelt – oder einen Freund, dem der Wohnungsmieter nach einer plötzlichen Trennung Unterschlupf bietet, bis er eine eigene Wohnung gefunden hat?
Fazit
Das BGH-Urteil vom 12. März 2024 schafft Klarheit für Vermieter, die dem Verdacht einer unerlaubten Untervermietung nachgehen wollen, aber auch für alle anderen Unternehmen, die den Einsatz einer Videoüberwachung zur Beweissicherung erwägen:
- Vor dem Einsatz einer heimlichen Videoüberwachung muss die Verhältnismäßigkeit gründlich geprüft werden.
- Es muss sichergestellt werden, dass die Videoüberwachung für den jeweiligen Sachverhalt als Beweis geeignet ist – und es keine milderen und grundrechtsschonenderen Maßnahmen gibt.
- Wichtig ist: Die heimliche Videoüberwachung kann zu erheblichen datenschutzrechtlichen Konsequenzen führen und ist nur in sehr eng definierten Ausnahmefällen zulässig!
Beim Einsatz einer Videoüberwachung kann es erforderlich sein, eine Datenschutz-Folgenabschätzung (DSFA) durchzuführen. Diese ist gemäß Art. 35 DSGVO erforderlich, wenn die Form der Verarbeitung aufgrund der Art und des Umfangs voraussichtlich zu einem hohen Risiko für die Rechte und Freiheiten natürlicher Personen führt oder eine systematische und umfangreiche Überwachung öffentlich zugänglicher Bereiche erfolgt.
Sie haben Fragen zum Thema Videoüberwachung, haben den Verdacht, überwacht zu werden oder wollen selbst eine Überwachung durchführen? Wir helfen Ihnen weiter – kontaktieren Sie mich!